'Ich könnte ein Buch über meine Familie schreiben', 'ich-koennte-ein-buch-ueber-meine-familie-schreiben', '', '<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">In den letzten Wochen ist mir erneut klar geworden, wie wichtig der eigene Wille zur Abstinenz ist – und den hatte mein Vater leider, leider nicht mehr. Das hat er uns als Familie oft zu verstehen gegeben – selbst während seiner Therapie. So begann ich damals schon daran zu zweifeln, dass Vater seine Probleme in den Griff bekommt. Nur wagte ich nicht, es auszusprechen.</span></span></p>\r\n', '\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><strong><span style="font-family: verdana,geneva;">Meine Gefahr, abzurutschen</span></strong></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">Jetzt – zehn Jahre später, wird mir erst so richtig bewusst, welche Wunden diese Erlebnisse in mir gerissen haben.Sie haben mein Leben geprägt mit allen Höhen und Tiefen. Mein Vater hat sich totgesoffen. Als er starb, war ich siebenundzwanzig Jahre alt. Eigentlich habe ich bis heute weder den Tod von meinem Vater noch den Krebstod meiner Mutter richtig verarbeitet. Die Gefahr abzurutschen ist bei mir immer gegenwärtig. Gerade in solchen Stunden denke ich viel über meinen Vater nach, über sein Leben, sein Verhalten und die schlimmen Konsequenzen. Wie oft kommt mir dann in den Sinn: „Ist doch alles egal, ich will nicht mehr, wozu das alles?“ Ich brauche selbst dringend Hilfe!</span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><strong><span style="font-family: verdana,geneva;">Unser Familiendrama</span></strong></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">Wir sind eine Große Familie, doch entweder zerstritten, verheuchelt oder verlogen. Die Familie väterlicherseits hat sich schon immer von uns distanziert. Großvater war fest davon überzeugt, dass Mutter und wir Kinder daran „schuld“ waren, dass Vater gesoffen hat. Diese Sicht hat er an die restlichen Familienmitglieder weitergetragen. Niemand wollte dann mehr etwas mit uns zu tun haben. Dabei haben Opas Vater und auch dessen Vater alle gesoffen wie Löcher und ihre Familien ohne Ende schikaniert. Heute bin ich davon überzeugt, dass sich der Alkoholmissbrauch wie ein roter Faden durch unsere Familiengeschichte zieht. Aber auch in der Familie meiner Mutter ist einiges im Argen. Sie sind eben verlogen bis auf die Knochen, alles Verhalten ist geheuchelt. Als meine beiden Schwestern eine Psychotherapie machten, habe ich schmerzlich erfahren, dass beide im Alter von neun und zehn Jahren von meinem Opa vergewaltigt worden sind. Das war ein Schock für mich. Für mich brach eine Welt zusammen. Als ich davon erfuhr, bin ich wie angestochen wochenlang durch den Tag gerannt.Ich wollte, dass mein Opa mir Rede und Antwort steht, dieses Schwein! Doch es ist zwecklos. Oma und Opa sind inzwischen weit über achtzig und warten nur darauf, dass es zu Ende geht.</span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><strong><span style="font-family: verdana,geneva;">Ich habe Angst</span></strong></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">Ins Leben meiner Schwestern ist Dank der gelungenen Therapie inzwischen Ruhe eingekehrt. Der Weg dahin war sehr schwer für sie. Ich habe den Neubeginn noch vor mir und ich habe Angst davor. Ich weiß nicht, was noch alles auf mich zukommt und wie ich mit den neuen Erfahrungen umgehen werde. Eines weiß ich jedoch mit Sicherheit: Wenn der Moment kommt, wo ich von dieser Erde einmal Abschied nehmen muss, möchte ich mit Freude gehen, weil ich weiß, dass ich mein Leben gelebt und genossen und nicht einfach weggeschmissen habe. Mit dem Tod meiner Eltern ist ein großer Brocken ins Rollen gekommen. Ich sehe hierin auch etwas Positives. Uns Kindern ist die Möglichkeit gegeben worden, dem unseligen Schweigen ein Ende zu setzten. Und wir nehmen diese Chance dankend an. Wären meine Eltern offener gewesen, mehr aus sich herausgegangen, dann hätten sie es einfacher gehabt. Doch aus Angst, ihre angeblich „heile Welt“ könnte zerstört werden, ließen sie niemand in ihr Inneres schauen.Lieber zerstörten sie sich selbst – Vater hat sich totgesoffen und Mutter hat sich vom Krebs zerfressen lassen. Das war ihr Leben.</span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;"><strong>Ich darf nicht klagen </strong> </span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">Eigentlich darf ich mich nicht beklagen, denn ich habe einen Job, eine Wohnung auf dem Lande, einen Freund, der in allen Lebenslagen bisher zu mir gestanden hat, weitere Freunde, auf die ich mich verlassen kann, eine Nichte von drei Monaten, die mein ganzer Stolz ist – aber ich bin trotzdem unzufrieden und nicht glücklich. Ich komme mit meinem Leben nicht gut klar und der Tod meiner Eltern sitzt mir noch so tief in den Gliedern, dass ich es nicht mehr allein geregelt bekomme. Ich bin mir seit einiger Zeit darüber im Klaren, dass ich vieles verdrängt habe, nicht wahrhaben wollte und immer nach Ausreden gesucht habe, um Entschuldigungen für meine Beschwerden zu finden. Bloß nicht über mich selbst, über das eigene Leben nachzudenken. </span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><strong><span style="font-family: verdana,geneva;">Alarmsignale</span></strong></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">Ich ertappe mich jetzt oft dabei, dass ich aus Verzweiflung viel Alkohol trinke.Das macht mich ausgeglichen und lustiger. Aber am nächsten Tag geht es mir dann umso schlechter. Dann sehe ich die Parallele zum Verhalten meines Vaters und sage mir: „Nein, so will ich es eigentlich nicht machen!“ Anderseits denke ich in meinem tiefsten Inneren: „Papa, ich verstehe dich ja – wenn gar nichts mehr geht, dann greif zur Flasche, das ist ja so einfach!“ Doch gleichzeitig wird mir immer häufiger bewusst: Das kann und soll nicht die Lösung sein. Es ist ein Teufelskreis.</span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><strong><span style="font-family: verdana,geneva;">Ich werde es schaffen!</span></strong></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;">Ende letzten Jahres ging es mir so schlecht, dass ich glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Nach verzweifelter Suche, ob meine Beschwerden organisch verursacht sind, entschied ich mich endlich für eine psychosomatische stationäre Behandlung. Das wird ein langer und harter Weg, aber ich möchte ihn gehen – im Gegensatz zu meinem Vater, der zwar um des lieben Friedens willen die Therapie über sich hat ergehen lassen, sie aber innerlich gar nicht wollte. Ich bin bereit, der Wahrheit und den Gefühlen ins Auge zu sehen. Lange genug habe ich alles in mich reingefressen. Ich will mein Leben nicht so einfach wegschmeißen wie eine leere Flasche. Und ich werde es schaffen, daran glaube ich! </span></span></p>\r\n<p><span style="color: #000080; font-size: small;"><span style="font-family: verdana,geneva;"><em>Mit freundlicher Genehmigung! <br />Aus dem Buch "Das schaffen wir" Hrsg. Werner Brück